Donnerstag, 14. April 2016

Zeit zum Staunen - kurz&gut Andachten für's Radio geschrieben, hier veröffentlicht

Mein kleiner Sohn und ich im Zug von Bremen nach Berlin. Für ihn ein Abenteuer. Schon die Aufregung am Morgen, als es losging und wir uns auf den Weg zum Bahnhof machten. Der erste Zug war blau, der zweite weiß, zwischendurch fuhren mit viel Krach Güterzüge an uns vorbei. Die vielen Menschen, das Geruckel, der Koffer, den der kleine Mann unbedingt selbst ziehen wollte. Alles brachte ihn zum Staunen. Und dieses Staunen zeigte er, indem er mir davon erzählte oder einfach stehenblieb, um etwas genauer in Augenschein zu nehmen.
„Wann hast du eigentlich aufgehört, Zugfahrten als Abenteuer zu erleben?“ fragte ich mich. Wenn ich mich mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B bewege, erlebe ich auch Aufregung. Doch ist diese oft negativ. Wenn ich mich zum Beispiel ärgere, dass die Bahn mal wieder verspätet ist. Oder wenn überfüllte Züge mir den letzten Nerv rauben. Wenn ich mich um meinen reservierten Platz streiten muss und und und.
Auf unserer Fahrt nach Berlin lief längst nicht alles glatt und theoretisch hätte ich auch Grund zum Ärgern gehabt. Doch das Staunen meines Sohnes, seine Neugier und Begeisterung, hielten mich davon ab. Das erinnert mich an einen Ausspruch Jesu, der mich schon oft innehalten ließ.
„Wenn ihrnicht werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen“ – sagt Jesus zu seinen Jüngern. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…
Kinder sind eben anders. Klar, sie ärgern sich auch mal. Aber sie lassen sich davon nicht das Ganze verderben. Sie erleben die Welt um sich her noch als Abenteuer. Sie haben nicht schon für alles Kategorien und Erwartungen, sondern lassen sich noch überraschen. Ihr Horizont ist noch weit und groß. Unmögliches? Gibt es nicht.
Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder. Staunend durch das Leben gehen. Sich an den kleinen Dingen freuen. Stehen bleiben, wenn ein Güterzug vorbeidonnert. Wann haben Sie das letzte Mal die Wagen eines Güterzuges gezählt? Als Kinder machten wir das doch oft. Wann immer einer dieser großen, schweren Züge kam, gab es kein Halten. Wir zählten die Waggons und malten uns aus, was da wohl drinnen wäre und wohin die Reise ginge.

Die Welt ist nicht schwarz und weiß. Sie ist bunt. Sie lädt uns ein, zu staunen und Dinge und Menschen wieder neu zu entdecken. Uns und sie aus unseren vorgefertigten Haltungen zu entlassen. Ich wünsche mir und Ihnen eine Woche des Staunens.

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